Dienstag, 17. Dezember 2013

Langer Tag für kleine Mädchen

Jeden Tag um fünf Uhr morgens, schlägt Sister Anice laut gegen eine Glocke. Dieser Ton ist der Weckruf für 150 Mädchen zwischen sechs und achtzehn Jahren. Sie alle wohnen in einem Hostel, direkt neben ihrer Schule. Ihr Schulweg wäre zu weit oder zu gefährlich, um ihn jeden Tag aufs Neue zu bewältigen. Nach einer kleinen Katzenwäsche gehen die älteren Mädchen, in Begleitung der Sister, in die Kirche zur heiligen Messe. Die Schule und das Hostel stehen unter dem Schirm der „Catholic Diocese of Jhabua“, sie haben gemeinsam mit Sponsoren und privaten Geldgebern die Schule und das Hostel aufgebaut.


Auch die dreizehnjährigen Mädchen Antimbala Ninama und Vandana Vasuniya wohnen in dem Mädchenhostel in Thandla. Sie sind die einzigen, die sich in den zwei Tagen, die wir die Mädchen begleiten, mit uns auf Englisch unterhalten können oder sich trauen. Denn sie gehen mit zehn anderen Mädchen in die „Englisch Middle Class“. Beide wollen nach ihrem Abschluss Lehrerinnen werden, um Kindern wichtige Dinge wie lesen, rechnen und schreiben beizubringen. Nach der heiligen Messe bereiten sie gemeinsam mit Sister Anice das Frühstück für alle Mädchen zu. Die meisten Mädchen essen ihren Haferschleim stehend und mit einem Buch in der Hand. Nach dem Frühstück und Abwasch setzen sich Antimbala und Vandana mit ihren Freundinnen in den große Halle des Hostels, um noch ein bisschen zu lernen. Denn in der Woche vor den Weihnachtsferien stehen jeden Tag Prüfungen an, heute ist das Fach Informatik dran. 



Nach der Schule, gegen 14 Uhr, gibt es für alle Mädchen im Hostel ein Mittagessen. In dem großen Vorraum sitzen nun 150 Mädchen und essen schnatternd ihren Reis, Dal und Gemüse. Nach dem Essen verteilt Sister Anice an einige Mädchen Aufgaben. Heute müssen die Aufenthaltsräume gefegt und gewischt werden. Anschließend dürfen alle Mädchen helfen, das Hostel und den Hof weihnachtlich zu dekorieren. Es werden Glocken aufgehängt, grüne Pflanzen wie Tannenbäume geschmückt und kleine Weihnachtsmänner aufgestellt. Nach getaner Arbeit spielen Antimbala und Vandana gemeinsam mit einigen Freundinnen verstecken und eine indische Version des Plumpsacks. 


Um Punkt 18 Uhr wird das Abendessen von Sister Anice ausgeteilt, gegessen wird wieder in der Halle. Anschließend findet dort für alle Mädchen eine einstündige Messe statt. Die heilige Messe wird nicht von einem Priester geführt sondern von den Mädchen selbst. Abwechselnd lesen sie aus der Bibel vor, beten und singen gemeinsam Lieder. Immer wieder beobachten wir, wie die kleinen Mädchen einschlafen. Meistens bleibt das nicht unentdeckt und sie werden von Mitschülerinnen oder der Sister geweckt. Nach der Messe ist der Tag aber noch nicht vorbei. Nun sitzen alle 150 Mädchen mit ihren Schulbüchern in der Halle des Hostels, aufgeteilt nach Klassen und Alter. Sie erledigen nicht geschaffte Hausaufgaben oder lernen für den nächsten Schultag. Nach und nach gehen die Mädchen in ihren Schlafraum, den sie sich mit rund 75 Altersgenossinnen teilen. Dort schlafen sie dann bis zum nächsten Morgen, bis um 5 Uhr die Glocke ertönt.



Und wie wir unseren Besuch im Mädchenhostel empfunden haben, könnt ihr hier erfahren.

Samstag, 14. Dezember 2013

Jodie weiß nun, was Chinmaya braucht

Blubbernd und strampelnd sitzt der kleine Chinmaya auf dem Schoß seiner Mama. Die drei schwarzen Punkte auf seiner Stirn und beiden Wangen sollen alles böse von ihm wenden. So wird es von Frauen des Stammes der Bhil in der Region Jhabua im Bundesstaat Madhya Pradesch schon seit Jahrhunderten gemacht. Gemalt hat sie Jodie, eine zierliche Person, die uns lächelnd gegenübersitzt. Mit leiser Stimme und ihrem roten Tuch weit ins Gesicht gezogen, erzählt sie uns von ihrem Tagesablauf

Nachdem sie Wasser für den Haushalt geholt hat, bereitet sie einen Teig vor, aus dem das Frühstück gemacht wird. Chapatis sind dünne Teigfladen aus Mehl, Öl und Wasser, die über einer offenen Feuerstelle gebacken werden. Ihr Ehemann Nanadara, dessen Mutter und Vater sowie Jodie mit ihrem Sohn Chinmaya gehören zum Haushalt. Wenn alle gegessen haben und Jodie aufgeräumt hat, verlässt sie gegen neun Uhr das Haus und geht ins Feld arbeiten. Ehe sie zurückkehrt hat sie auf dem Feld fünf Stunden gearbeitet. Auf ihren zehn Monate alten Sohn passt daheim die Großmutter auf. Chinmaya ist mit 6095 Gramm für sein Alter 3000 Gramm leichter, als er eigentlich sein sollte. Obwohl seine Mutter die zehnte Klasse abgeschlossen hat, weiß sie wenig über Hygiene und Ernährung von Kleinkindern. So kam es, dass sie ihrem Sohn nur drei Mal am Tag die Brust gab und der Kleine somit nicht die nötigen Proteine, Mineralien und Vitamine aufnehmen konnte, die er für eine gesunde Entwicklung bräuchte.



Nach einer Studie der World Bank litten im Jahr 2012 in Indien zweimal mehr Kinder an Unterernährung als in Afrika und fünfmal mehr als in China. Jedes zweite Kind unter fünf Jahren wächst in Folge dessen nicht richtig und muss an Krankheiten leiden, die es mit einem gesunden Wachstum nie bekommen hätte. Eine ausgewogene Ernährung aus Früchten, Gemüse, Brot, Reis, Milch, Fleisch und Fisch ist oft nicht möglich. Ein Grund dafür ist das fehlende Wissen der Familien über die Hygiene und Fütterung von Säuglingen in ihren ersten Wochen. Die Abhängigkeit vom Faktor Geld und Arbeit zwingt die Menschen zur Vernachlässigung des Nachwuchses. Wenn die Familie abhängig von Gemüse ist, dass sie auf dem Markt kaufen muss, muss dieses Geld verdient werden. Das heißt für beide Elternteile, dass sie tagsüber zum arbeiten ihr Kind verlassen und erst abends wiederkehren. Teilweise gehen Elternteile auch mehrere Tage in andere Landesteile, um Arbeit zu bekommen. In der Zeit sorgen in unregelmäßigen Abständen Verwandte und Bekannte für das Kind. Die Armut und die Fälle von Unterernährung sind bei der ländlichen Bevölkerung Indiens weiter verbreitet als in den boomenden Großstädten. Hier merkt man nichts von blinkender Bollywoodindustrie und großen Einkaufszentren. Die Menschen leben ein einfaches Leben abseits der Gesellschaft und geraten gerade dadurch in Vergessenheit. Nicht allein durch Wirtschaftswachstum kann ein Land seine Menschen aus der Armut befreien, die Schere zwischen Arm und Reich wächst zunehmend.

Jodie ist eine Frau aus der unteren Mittelschicht der Bhil, ihr 28-jähriger Mann geht als Gaslieferant arbeiten und sie bewirtschaftet das Land, das den Eltern ihres Mannes gehört. Sie sind zwar nicht reich, aber das nötigste können sie sich leisten. Trotzdem ist ihr Sohn unterernährt und Mutter und Sohn sind seit zehn Tagen in einem Hospital in Meghnager im Bundesstaat Madhya Pradesch untergebracht. Hier bekommen die Kinder achtmal am Tag einen speziellen Brei aus Milch, Zucker, Oel und Wasser, der sie wieder zu Kräften bringt. Zweimal am Tag werden die Mädchen und Jungs von einem Arzt untersucht, gewogen und gemessen. So kann sichergestellt werden, dass sie Tag für Tag zunehmen und gesund werden. Die Mütter lernen zusammen mit ihrem Kind von der täglichen Hygiene beim Stillen und über die Wichtigkeit ihre Kinder regelmäßig und ausgewogen zu ernähren. Sie haben Zeit sich mit den Bedürfnissen ihrer Kleinen auseinanderzusetzen. Außerdem bekommen sie Tipps, wie sie, neben ihrer täglichen Arbeit, eine gesunde Ernährung für ihr Kind garantieren können. Wenn die 24-jährige mit ihrem Chinmaya nach Hause geht, hat sie Samen von einheimischen Pflanzen und das Wissen wie man sie groß zieht, im Gepäck. Das Einrichten eines „Küchengartens“ direkt vor ihrem Haus, von dem sie für die ganze Familie kochen kann, ist wichtig für Jodie. So spart sie Zeit und Geld, dass sie in die Schulbildung ihres Kindes stecken kann. Die Ausbildung von Chinmaya liegt ihr besonders am Herzen.

Für mehr Informationen von Hilfsprojekten in Madhya Pradesch klickt hier und das Rezept für echt indische Chapatis gibt es auf diesem Blog.

Sonntag, 8. Dezember 2013

Wie leben Bhil-Frauen?

Außerhalb der dichtbesiedelten Städte leben die Nachfahren der Ureinwohner Indiens. Sie werden als „tribals“ (Stammesvölker) bezeichnet und leben in Kleingesellschaften auf dem Land. Sie wurden im Laufe der Geschichte Indiens teilweise aus ihren Ursprungssiedlungen vertrieben und bei der Bildung der Republik nicht integriert. Die Stammesvölker gehören keiner einheitlichen Bevölkerungsgruppe an, es gibt zahlreiche Untergruppen mit unterschiedlichen Traditionen. Auch wenn es Programme der Regierung gibt, die ihnen Gleichberechtigung bringen soll, werden sie noch gesellschaftlich mit den „Unberührbaren“ gleichgesetzt.

In Madhya Pradesh leben rund 5 Millionen Menschen, die zu dem Volk der „Bhil“ gehören. Sie leben eng mit der Natur zusammen und haben verschiedene Geister und Ahnen die sie verehren. Die Bhil leben von Ackerbau und Viehzucht, sie bauen so viel an wie sie zur Selbstversorgung benötigen. Nur einige können so viel produzieren, um es gewinnbringend auf dem Markt zu verkaufen. Die Versorgung mit Strom und Infrastruktur auf dem Land, zwingt viele dazu, eine geldeinbringende Tätigkeit auszuüben. Ist das nicht möglich, leben sie unter einfachen Verhältnissen in Dunghütten auf dem Land.

Hier haben Frauen einen anderen Status als wir bisher kennengelernt haben: Der Mann ist dafür zuständig das Geld nach Hause zu bringen und die Frau bestimmt über die Verteilung der finanziellen Mittel. In familiären Entscheidungen werden meist die Meinungen von beiden Elternteilen zu Rate gezogen und bei der Hochzeit zahlt die Familie des Bräutigams. Seitdem wir hier sind, haben wir sehr viele Frauen aktiv am öffentlichen Leben teilnehmen sehen, mal sehen ob sich dieser Eindruck durch kommende Erlebnisse bestätigen lässt. Hier haben wir einige Bhil-Frauen für euch in einer Fotostrecke zusammengestellt.

 
 
 
 
 

Mittwoch, 27. November 2013

Indian Beauty

Jeden morgen steht sie um fünf Uhr auf, versorgt ihre Tochter und ihren Sohn, die gegen sieben in die Schule gehen. Besonders stolz ist sie auf ihre älteste Tochter, sie ist schon aus dem Haus und studiert Ingenieurswissenschaften. Renu Yadav leitet seit August auch noch ihren eigenen Beautysalon in einer Nebenstraße in Varanasi. Ihr Ehemann bekräftigt sie in allem was sie tut. Er ist Handelsunternehmer und viel im Land unterwegs. Wenn sich Renu abends hinlegt, blickt sie zufrieden auf den Tag zurück, ihre Familie bedeutet ihr einfach alles.

Sie sprach mit uns über ihr Leben, Schönheitsideale und was es heißt als Frau ein eigenes Unternehmen zu führen. Ihre Tochter Sneha Yadav übersetzte für uns.




Mittwoch, 20. November 2013

Pray, Eat and Sleep

Jeden Tag geht Shovadas in einen Witwen-Ashram und singt 10 Stunden Bhajan, einen religiösen Meditationsgesang, dessen Wiederholungen die Liebe und Hingabe zu Gott ausdrücken. Hierfür bekommt sie zwei Mahlzeiten am Tag und manchmal auch ein paar Rupien. Wir sind in Radha Kund, der Stadt in der Krishna und seine Geliebte Radha Mohan zusammenfanden und ihre Liebe ausleben konnten. Viele Pilger, aber auch mittellose Witwen und Frauen kommen hierher und bekommen eine Zuflucht.

Shovadas ist keine Witwe, kam jedoch vor 25 Jahren aus Kalkutta hierher, weil sie kein Geld für eine Heirat aufbringen konnte. Ihre Eltern starben früh und so wurde sie zur Sängerin und Schauspielerin ausgebildet. Mit diesem Beruf ist es schwierig einen Ehemann zu finden, da diese Berufsgruppe als verrucht und unzüchtig gilt. Außerdem verdient man nicht genug Geld um die nötige Mitgift für die Familie des Ehemannes aufzubringen. 

Voller Stolz zeigt sie uns ihre Fotografien aus einer Zeit „die schon längst vorüber ist“, schließt das blaugebundene Album und legt es in ihre Behausung unweit der belebten Straßen. Dort hat sie ein sauberes Zimmer nur für sich und Radharani - eine göttliche Form in der Krishna und Radha Mohan glücklich vereint sind. Ihr Altar bestehend aus zwei Gottheiten aus Stein wird bei Sonnenauf- und –untergang von ihr verehrt, das gibt ihr Lebensenergie und Freude. Eine Beziehung zu einem Mann wäre für sie undenkbar, sie „benutzen dich nur und schmeißen dich danach einfach weg“ vertraut sie mir nach dem Interview an. Die einzige Beziehung die der 65-jährigen Liebe und Vertrauen gibt ist ihre zu Gott.

Es sollen rund 15 000 Frauen sein, die meist aus dem erzkonservativen West Bengalen nach dem Tod ihres Ehemannes den Weg nach Vrindavan und Umgebung finden. Eine Frau ist ohne einen Ehemann nichts Wert, dürfen nur bestimmte Nahrung zu sich nehmen und werden wie die unterste Kaste der Unberührbaren als „unrein“ angesehen. Selbst die farbenfrohen Saris bleiben ihnen verwehrt, sie müssen für alle erkennbar einen weißen Sari tragen. Der Tradition folgend, tragen sie ihr Schicksal, ohne es zu hinterfragen, bis sie sterben. 

Shovadas ist nach der direkten Frage nach einem Wunsch für ihr weiteres Leben zurückhaltend und bescheiden. Später sagt sie, dass sie einen leeren Raum kennt, in dem Kinder unterrichtet werden könnten. Auch für sie steht fest, dass eine gute Schulbildung und Erziehung der Weg aus der unterpriviligierten Stellung der Frau ist.

Wenn ihr mehr über indische Witwen wissen wollt, schaut euch den Film „Water“ von Deepa Metha an.

Mittwoch, 13. November 2013

For the poorest of the poor

Sechs Tage die Woche, von Montag bis Samstag, gehen über 1200 unterprivilegierte Kinder aus dem Großraum Vrindavan in die Sandipandi Muni School. Ohne diese Initiative hätten die meisten Schüler_innen nie eine Chance auf Bildung bekommen. Die Fächer sind Hindi, Englisch, Mathematik und Staatskunde. Zusätzlich werden Lektionen in Hygiene, “gutem Verhalten” und der religiöse Hintergrund unterrichtet.

Die Sandipani Muni School wurde im Jahr 2002 von Food for Life gegründet und wird bis heute komplett von Spenden und Sponsoren getragen. So gut wie jedes Kind hat einen Sponsor aus dem Ausland. Für ungefähr 1 Euro pro Tag können Sponsoren den Kindern Bildung, warme Mahlzeiten, Kleidung, medizinische Versorgung und noch viel mehr ermöglichen. Nur ein kleiner Bruchteil der Spenden geht an die Verwaltung zum Großteil arbeiten gemeinnützige Helfer_innen in der Schule. Die Organisation verzichtet fast ganz auf teure und aufwändige Werbemaßnahmen, somit kommt wirklich jeder Cent dort an, wo er gebraucht wird.

Mehr Informationen zu Food for Life und der Sandipani Muni School findet ihr hier.





Mittwoch, 6. November 2013

Smile don’t cry

Mehruli, eine Community am Rande von Delhi. Es riecht muffig, es ist dreckig und feucht. Mehruli ist das Zuhause von tausenden Menschen. Sie wohnen in einfachen Steinhäusern, ohne Fenster oder anderem Witterungsschutz. Das Leben der Einwohner spielt sich zum großen Teil vor ihren Häusern ab. Hier werden Schuhe geputzt, Wäsche gewaschen oder Steine geschleppt. Auch Niha ist in Mehruli zu Hause. Sie ist 16 Jahre alt und möchte Modedesignerin werden. In ihrer Freizeit zeichnet Niha bereits Entwürfe für aufwändige Saris und andere Kleidungsstücke.

Nihas tägliche Aufgabe ist es, die Wäsche der gesamten Familie zu waschen. Dafür hat sie einen eigenen kleinen Raum, wo sie die Wäsche waschen und aufhängen kann. Manchmal kann sie dort auch in Ruhe lernen. Denn sie geht, zwischen ihren Aufgaben zu Hause, in die St. Anthony’s School in Mehruli. Besonders freut sie sich, wenn sie später die Computer Class besuchen kann. Hier wird sie lernen, wie ein Computer funktioniert und wie man mit ihm arbeitet. Besonders fasziniert sie, dass ein Computer so viel schneller als das menschliche Gehirn sei. Außerdem sei es grade im Designbereich wichtig, zu wissen, wie man mit einem Computer arbeitet. Aber bevor sie die Computer Class besuchen darf, muss Niha erst einmal die grundlegenden Fächer wie Schreiben, Lesen und Mathematik absolvieren.

Nicht alle Mädchen in Nihas Alter haben das Glück zur Schule zu gehen, viele Väter verbieten ihren Töchtern, neben ihrer Hausarbeit, zu lernen oder zur Schule zu gehen. Sie wollen sie so früh wie möglich an die Hausarbeit binden und sie somit unselbständig aufwachsen lassen. Nihas Vater hingegen befürwortet es, dass seine Tochter die Chance hat, zur Schule zu gehen und versucht ihren Traum Modedesignerin Wirklichkeit werden zu lassen. Bis dahin heißt es für Niha „smile don’t cry“.



Samstag, 26. Oktober 2013

Hier haben Kinder Platz

Im südlichen Teil von Delhi liegt Mehruli, eine Community am Stadtrand. Hier findet man nichts vom urbanen Leben einer Megacity wieder. Die Einwohner leben in steinernen Behausungen, die Wasserversorgung wird durch Brunnen oder Tanks gewährleistet. Das komplette Privatleben findet vorrangig unter freiem Himmel statt. Um das täglich Brot kümmern sich hauptsächlich die Männer, sie gehen meist einer einfachen Arbeit nach. Frauen und Kinder sind für den Haushalt zuständig, müssen aber auch manchmal etwas zum Einkommen zusteuern. Das ist allerdings die Ausnahme, den meisten Frauen ist es nicht erlaubt ein eigenständiges Leben zu führen oder einer selbstständigen Arbeit nachzugehen. 

Die Frauenorganisation "Women Work & Health Initiative" fördert Kinder und Frauen dieser Community und öffnet ihnen Türen. Wir trafen Sunita Kaistha und Amita Sehaya von WWHI und sprachen mit ihnen über ihre Arbeit in Mehruli.




Eine Stimme für Frauen

Das Rollenverständnis der Frau in Indien ist ein sehr gegensätzliches. In den letzten Jahren strömten immer mehr Frauen auf den indischen Arbeitsmarkt. Das forderte ein Umdenken in der Gesellschaft, welche Frauen nicht länger als kinderhütende Hausfrauen betrachtet sondern als ebenbürtige Menschen. Dieser Wandel ist immer noch in vollem Gange.

Sunita Kaistha und Amita Sahaya beschrieben uns diesen schwierigen Prozess.



Dienstag, 22. Oktober 2013

Fasten für die Liebe

Verheiratete Hindi-Frauen hatten heute einen besonders langen Tag. Es wurde "Karva Chaut" begannen. Ein Feiertag, der immer am vierten Tag des abnehmenden Mondes im Oktober stattfindet. Kurz vor Sonnenaufgang bekommen verheiratete Frauen reichlich Essen und Geschenke aufgetischt, darunter auch Henna. Nach Sonnenaufgang gibt es weder Wasser noch feste Nahrung. Und wenn der Mond gegen halb acht aufgeht, halten sie sich ein Sieb vor Augen und betrachten zusammen mit ihrem Ehemann die Reflektion des Mondes und bitten um einen Segen. Der Ehemann bricht das Fasten und reicht seiner Frau die erste Mahlzeit des Tages. Je nach Region wird die Frau von ihrem Mann mit Schmuck oder Kleidung beschenkt.

Sinn des Feiertages ist es, die Verbindung zwischen dem Ehepaar zu festigen. Besonders das Wohl des Mannes steht hier im Vordergrund. Dabei wird der gesamte "Karva Chaut" nur von Frauen begangen. Sie bemalen sich gegenseitig mit Henna und sitzen als Freundinnen zusammen. Frauen, die einer Arbeit nachgehen, haben es besonders schwer. Es gibt keinen vergleichbaren Festtag, an dem der Mann für das Wohlergehen seiner Frau bittet, deswegen wird "Karva Chaut" von indischen Feministinnen auch stark kritisiert.

Im urbanen Indien gewinnt der Festtag stetig an Beliebtheit. In der indischen Klatschpresse berichten Bollywood-Stars, wie sie diesen Tag verbringen. Aus Protest feiern heutzutage auch Singles und unverheiratete Paare diesen Tag und wollen damit Gleichberechtigung demonstrieren.

Samstag, 19. Oktober 2013

Der gute Geist von Amber Fort

Der Monatslohn einer Putzfrau, die oftmals mehrere Stunden zu Fuß zu ihrem Arbeitsplatz laufen muss, beträgt in Indien umgerechnet 20 Euro. Im Amber Fort in Jaipur fegen mehrere Frauen täglich die alten Gemäuer der prunkvollen Mogulzeit. Es gibt wenige Schattenplätze, die sie vor der anstrengenden Arbeit schützen könnten. Trotzdem sind sie Tag für Tag der stille Begleiter der vielen Besucher, denn sie sorgen dafür, dass keine Plastikflaschen, Papier oder Essensreste liegenbleiben. Durch ihre farbenfrohen Saris und ihre selbstbewusste Zurückhaltung fallen sie sofort ins Auge. Für viele Touristen stellen sie den Inbegriff Indiens dar; selbstbewusst, farbenfroh und stolz. Mit Hilfe kleiner Spenden können sich die Putzfrauen etwas zu ihrem schmalen Lohn, der wichtig für die ganze Familie ist, dazuverdienen.



Donnerstag, 17. Oktober 2013

Ehrenvoller Feuertod

In der indischen Mythologie begann die Göttin Sati, Tochter von Daksha, aus Liebe Selbstmord. Durch ihr langes Leben erzielte sie die Zustimmung zu der Hochzeit mit Shiva, einer der wichtigsten Götter des Hinduismus. Daksha empfand jedoch Abscheu vor Shiva und lud ihn somit nicht zu seinem Opferfeuer ein. Seine Tochter beschwerte sich daraufhin bei ihrem Vater für seine Respektlosigkeit ihrem Ehemann gegenüber. Daksha beachtete weder seine Tochter noch seinen Schwiegersohn. Aus Scham und um die Ehre ihres Mannes Shiva wiederherzustellen, verbrannte sich Sati von innen heraus. Damit gilt sie als Vorbild der Witwenverbrennung und gab ihr einen Namen.

Zwar ist der grausame Brauch Sati seit der Kolonialisierung durch England offiziell abgeschafft und gesetzlich verboten. Gelegentlich kommt es aber immer noch in ländlichen Regionen vor, dass sich Frauen mit ihrem verstorbenen Ehemann auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen. Sati-Frauen sind der Überzeugung, dass durch ihre Verbrennung die verbundenen Seelen nicht getrennt werden. Außerdem gilt der Feuertod als glücksbringend und ehrenvoll. Das Bild der Witwenverbrennung wird, besonders in der westlichen Welt, als Sinnbild der niedrigen Stellung der Frau angesehen.

Sati, „die Seiende“, Frau, die den richtigen, mutigen Weg wählt, ist die rituelle Verbrennung von Frauen. Nach dem Tod des Mannes lässt sich die Witwe freiwillig und bei lebendigem Leibe auf dessen Scheiterhaufen verbrennen. Sati-Frauen werden nach ihrem Tod in hohen Ehren gehalten und ihre Familie gewann hohes Ansehen. Oftmals geschah dieser Selbstmord aus religiöser Überzeugung oder aus sozialem Druck.

Dienstag, 15. Oktober 2013

Wissen macht selbstständig

Unsere Reise beginnt in New Delhi. Nächsten Mittwoch treffen wir Mitglieder der organisierten Frauenrechtsbewegung "Women Work & Health Initiative". Diese gemeinnützige Organisation will das Selbstbewusstsein von unterprivilegierten Frauen durch die Vermittlung von Wissen stärken. Außerdem unterstützten sie Frauen aus den Slums, die sich mit Handarbeit oder anderen kleinen Geschäften selbstständig machen wollen. Dazu gehören Aufklärungskampagnen über AIDS/HIV, aber auch Arbeitsgruppen in denen sich Frauen ihrer Rechte als gleichgestelltes Mitglied der Gesellschaft bewusst werden. In New Delhi hat die Organisation eine Schule wo Frauen und Kinder der Umgang mit Computern beigebracht wird.

Wir sind gespannt, was uns am Dienstag erwartet. Mehr Informationen zu der Organisation bekommt ihr hier: http://www.wwhi-asia.org/
Mediation im Central Ridge Reserve Forest
New Delhi


Sonntag, 13. Oktober 2013

Göttin oder Sklavin?

Frauen tragen auch im Alter noch immer die Hauptlast des alltäglichen Lebens. Neben ihrer Rolle als dienende Ehe- und Hausfrau sind sie die Mentorin der Schwiegertochter.
Oftmals heißt es, dass die klassische indische Familienfrau den Familienzusammenhalt stärkt und in Entscheidungsfragen eine machtvolle Stimme bekommt. Aber nur neben ihren Ehemann ist sie in der indischen Gesellschaft fest integriert und genießt einen gesellschaftlichen Rang in ihrem Umfeld. Stirbt der Ehemann vor ihr, treibt es manche alternden Frauen als Tagelöhnerinnen in die Landwirtschaft oder Stadt. Dies ist meist die letzte Chance zu überleben. Denn wer keine Familie als soziale Rückversicherung hat, ist auf sich allein gestellt. In Indien gibt es wenig Altenheime und die wenigen, die es gibt, sind sehr teuer. Die mittellose alt werdende Generation verbringt ihren Lebensabend nicht selten auf der Straße. 

Zwischen Tradition und Moderne

Ein Mädchen kommt ins heiratsfähige Alter, spätestens jetzt beginnen die Eltern mit der Suche nach einem passenden Partner. Passend heißt in dem Falle, dass der Partner einen guten Beruf ausübt und seine Familie einen guten Ruf hat. Dann stellt die Familie des Mädchens einen Antrag und wenn sie als zukünftige Ehefrau in Betracht gezogen wird, lernen sich die Eltern kurz kennen. Diese handeln dann auch für das Mädchen eine Mitgift aus, der ihr den Eintritt in die Familie des Sohnes erlaubt. Offiziell sind Mitgiftforderungen seit 1961 in Indien verboten und stellt Missbräuche zur Strafe, jedoch wird sie immernoch in der praxis durchgeführt. Eine Heirat hat hier also wenig mit Liebe zu tun, sondern ist Verhandlungssache.

Die Familie mit ihren Verwandtschaftsverhältnissen ist eine große Gemeinschaft, in der jeder voneinander abhängig ist, selbst die Nachbarn und Freunde werden in dieses Geflecht eingespannt. Die einziehende Globalisierung, gepaart mit der freien Marktwirtschaft, beginnen diese Verhältnisse aufzubrechen. In den Großstädten hat sich eine neue Mittelklasse herausgebildet, die individuelle Lebensstile ihrer Söhne und Töchter unterstützt. So werden hier weniger Ehen durch die Entschiedung der Eltern geschlossen und die Tochter wird auch wieder von der Familie in Empfang genommen, wenn sie sich von ihrem Mann trennt.

Eine verheiratete Frau hat nach der hinduistischen Tradition zwei wichtige Aufgaben. Ihre erste Aufgabe ist es den Haushalt zu versorgen und ihrem Ehemann treuen Dienst zu erweisen. Das schließt eine gute leibliche Versorgung und den Gehorsam gegenüber des Ehemannes ein. Eine hinduistische Ehe soll eine Verbindung für die Ewigkeit sein, das Schicksal der Frau ist an den Ehegatten gebunden, eine Scheidung ist zwar möglich, jedoch nicht gesellschaftlich akzeptiert. Sie sollte wenig selbstständige Entscheidungen treffen, ist demnach also immer von der männlichen Handlungsmacht abhängig. Als Tochter gegenüber dem Vater, als Hausfrau dem Ehegatten und als Witwe dem Sohn.

Die zweite Pflicht besteht darin, einen Sohn zu gebären und damit die Nachfolge der Familie zu garantieren. Der Sohn verheiratet sich im erwachsenen Alter mit einer Frau, die dann wiederum Teil der Familie wird und der Mutter im Haushalt unter die Arme greift. Der Sohn ist auch dann dafür zuständig, die Eltern im Alter zu versorgen. 


Freitag, 11. Oktober 2013

Die Nachteile beginnen schon im Mutterleib

Viele Mädchen werden von Geburt an benachteiligt, schlecht ernährt, mangelhaft versorgt und dürfen oft nicht zur Schule gehen. Schon bei der Geburt eines Mädchens wird an die kommende Mitgift und die daraus resultierende Verschuldung gedacht. Mädchen wechseln nach der Heirat in die Familie des Ehemannes, daher sind sie oftmals von geringerem Wert für ihre Eltern. Allein die Söhne bleiben in der Familie und sind somit die Altersvorsorge der Eltern. Kurz gesagt: Töchter bedeuten Kosten, Söhne hingegen Einkommen.
Indien ist eines der wenigen Ländern, in denen ein deutlicher Männerüberschuss herrscht. Auf 1000 Männern kommen ungefähr 920 Frauen. Dieses unnatürliche Ungleichgewicht ist verheerend und ist eine Folge der selektiven Abtreibungen und Kindestötungen. Obwohl es illegal ist, werden in ganz Indien Ultraschalltests zur Geschlechtsbestimmung durchgeführt, um dann große Mengen gesunder weiblicher Feten abzutreiben.
In den letzten Jahren erfuhren Frauen, allein in der Bildung und Arbeitswelt, zwar große Fortschritte. Trotzdem herrscht in den Familien immer noch eine Vorliebe für Söhne. Bildung, Reichtum, Land- oder Stadtleben spielt hier oftmals eine kleine Rolle. Die unangenehme Wahrheit könnte sein, dass die eigentliche Ursache dafür in der indischen Kultur und Tradition selbst liegt.

Donnerstag, 10. Oktober 2013

Über die Blogger

"Wie du willst auch nach Indien?!" von diesem Moment an, galt nur noch ein Gedanke: Unserem Wunsch nachkommen und das Praktische mit dem Nützlichen verbinden. Danach folgten viele Stunden der Recherche, schlaflose Nächte und Sekunden zur Entscheidung. Nun ist es soweit:

Im Rahmen des Studiengangs Journalismus/Medienmanagement gehen Britta Häfemeier und Anika Tietze vier Monate ins Ausland und setzen ihr journalistisches Projekt um. An unseren Reisestationen treffen wir auf Menschen, die uns einen Einblick in ihr Leben gewähren. Sie zeigen uns ein Bild, dass natürlich nicht vollständig sein kann, jedoch bringt es uns ein Leben näher, dass wir uns nur schwer vorstellen können. Wir werden unterschiedliche Frauen kennen lernen und ihren Alltag mit der Kamera begleiten. Jedem Lebensabschnitt im Leben einer indischen Frau wollen wir ein Gesicht geben: der Kindheit, dem Leben als Frau oder später als Mutter und im fortgeschrittenem Alter. Ob sich dieses Bild noch um einige Farbnuancen erweitert, bleibt abzuwarten.

Auf dem Blog "Frauen|leben in Indien" veröffentlichen wir Videos und Texte zu unserem Projektthema. Wer mehr über uns und unsere Reise durch Indien erfahren möchte, ist wiederum auf diesem Blog genau richtig.