Jeden morgen steht sie um fünf Uhr auf, versorgt ihre Tochter und ihren Sohn, die gegen sieben in die Schule gehen. Besonders stolz ist sie auf ihre älteste Tochter, sie ist schon aus dem Haus und studiert Ingenieurswissenschaften. Renu Yadav leitet seit August auch noch ihren eigenen Beautysalon in einer Nebenstraße in Varanasi. Ihr Ehemann bekräftigt sie in allem was sie tut. Er ist Handelsunternehmer und viel im Land unterwegs. Wenn sich Renu abends hinlegt, blickt sie zufrieden auf den Tag zurück, ihre Familie bedeutet ihr einfach alles.
Sie sprach mit uns über ihr Leben, Schönheitsideale und was es heißt als Frau ein eigenes Unternehmen zu führen. Ihre Tochter Sneha Yadav übersetzte für uns.
Jeden Tag geht Shovadas in einen Witwen-Ashram und singt 10
Stunden Bhajan, einen religiösen Meditationsgesang, dessen Wiederholungen die
Liebe und Hingabe zu Gott ausdrücken. Hierfür bekommt sie zwei Mahlzeiten am
Tag und manchmal auch ein paar Rupien. Wir sind in Radha Kund, der Stadt in der
Krishna und seine Geliebte Radha Mohan zusammenfanden und ihre Liebe ausleben
konnten. Viele Pilger, aber auch mittellose Witwen und Frauen kommen hierher
und bekommen eine Zuflucht.
Shovadas ist keine Witwe, kam jedoch vor 25 Jahren aus Kalkutta
hierher, weil sie kein Geld für eine Heirat aufbringen konnte. Ihre Eltern
starben früh und so wurde sie zur Sängerin und Schauspielerin ausgebildet. Mit
diesem Beruf ist es schwierig einen Ehemann zu finden, da diese Berufsgruppe
als verrucht und unzüchtig gilt. Außerdem verdient man nicht genug Geld um die
nötige Mitgift für die Familie des Ehemannes aufzubringen.
Voller Stolz zeigt sie uns ihre Fotografien aus einer Zeit „die
schon längst vorüber ist“, schließt das blaugebundene Album und legt es in ihre
Behausung unweit der belebten Straßen. Dort hat sie ein sauberes Zimmer nur für
sich und Radharani - eine göttliche Form in der Krishna und Radha Mohan
glücklich vereint sind. Ihr Altar bestehend aus zwei Gottheiten aus Stein wird
bei Sonnenauf- und –untergang von ihr verehrt, das gibt ihr Lebensenergie und
Freude. Eine Beziehung zu einem Mann wäre für sie undenkbar, sie „benutzen dich
nur und schmeißen dich danach einfach weg“ vertraut sie mir nach dem Interview
an. Die einzige Beziehung die der 65-jährigen Liebe und Vertrauen gibt ist ihre
zu Gott.
Es sollen rund 15 000 Frauen sein, die meist aus dem
erzkonservativen West Bengalen nach dem Tod ihres Ehemannes den Weg nach
Vrindavan und Umgebung finden. Eine Frau ist ohne einen Ehemann nichts Wert, dürfen
nur bestimmte Nahrung zu sich nehmen und werden wie die unterste Kaste der
Unberührbaren als „unrein“ angesehen. Selbst die farbenfrohen Saris bleiben
ihnen verwehrt, sie müssen für alle erkennbar einen weißen Sari tragen. Der
Tradition folgend, tragen sie ihr Schicksal, ohne es zu hinterfragen, bis sie
sterben.
Shovadas ist nach der direkten Frage nach einem Wunsch für
ihr weiteres Leben zurückhaltend und bescheiden. Später sagt sie, dass sie
einen leeren Raum kennt, in dem Kinder unterrichtet werden könnten. Auch für
sie steht fest, dass eine gute Schulbildung und Erziehung der Weg aus der
unterpriviligierten Stellung der Frau ist.
Wenn ihr mehr über indische Witwen wissen wollt, schaut euch
den Film „Water“ von Deepa Metha an.
Sechs Tage die Woche, von Montag bis Samstag, gehen über
1200 unterprivilegierte Kinder aus dem Großraum Vrindavan in die Sandipandi
Muni School. Ohne diese Initiative hätten die meisten Schüler_innen nie eine
Chance auf Bildung bekommen. Die Fächer sind Hindi, Englisch, Mathematik und
Staatskunde. Zusätzlich werden Lektionen in Hygiene, “gutem Verhalten” und der
religiöse Hintergrund unterrichtet.
Die Sandipani Muni School wurde im Jahr 2002 von Food for
Life gegründet und wird bis heute komplett von Spenden und Sponsoren getragen.
So gut wie jedes Kind hat einen Sponsor aus dem Ausland. Für ungefähr 1 Euro
pro Tag können Sponsoren den Kindern Bildung, warme Mahlzeiten, Kleidung,
medizinische Versorgung und noch viel mehr ermöglichen. Nur ein kleiner
Bruchteil der Spenden geht an die Verwaltung zum Großteil arbeiten
gemeinnützige Helfer_innen in der Schule. Die Organisation verzichtet fast ganz
auf teure und aufwändige Werbemaßnahmen, somit kommt wirklich jeder Cent dort
an, wo er gebraucht wird.
Mehr Informationen zu Food for
Life und der Sandipani Muni School findet ihr hier.
Mehruli, eine Community am Rande von Delhi. Es riecht muffig,
es ist dreckig und feucht. Mehruli ist das Zuhause von tausenden Menschen. Sie wohnen
in einfachen Steinhäusern, ohne Fenster oder anderem Witterungsschutz. Das Leben
der Einwohner spielt sich zum großen Teil vor ihren Häusern ab. Hier werden
Schuhe geputzt, Wäsche gewaschen oder Steine geschleppt. Auch Niha ist in
Mehruli zu Hause. Sie ist 16 Jahre alt und möchte Modedesignerin werden. In
ihrer Freizeit zeichnet Niha bereits Entwürfe für aufwändige Saris und andere
Kleidungsstücke.
Nihas tägliche Aufgabe ist es, die Wäsche der gesamten
Familie zu waschen. Dafür hat sie einen eigenen kleinen Raum, wo sie die Wäsche
waschen und aufhängen kann. Manchmal kann sie dort auch in Ruhe lernen. Denn
sie geht, zwischen ihren Aufgaben zu Hause, in die St. Anthony’s School in
Mehruli. Besonders freut sie sich, wenn sie später die Computer Class besuchen
kann. Hier wird sie lernen, wie ein Computer funktioniert und wie man mit ihm
arbeitet. Besonders fasziniert sie, dass ein Computer so viel schneller als das
menschliche Gehirn sei. Außerdem sei es grade im Designbereich wichtig, zu
wissen, wie man mit einem Computer arbeitet. Aber bevor sie die Computer Class
besuchen darf, muss Niha erst einmal die grundlegenden Fächer wie Schreiben,
Lesen und Mathematik absolvieren.
Nicht alle Mädchen in Nihas Alter haben das Glück zur Schule
zu gehen, viele Väter verbieten ihren Töchtern, neben ihrer Hausarbeit, zu
lernen oder zur Schule zu gehen. Sie wollen sie so früh wie möglich an die
Hausarbeit binden und sie somit unselbständig aufwachsen lassen. Nihas Vater hingegen
befürwortet es, dass seine Tochter die Chance hat, zur Schule zu gehen und
versucht ihren Traum Modedesignerin Wirklichkeit werden zu lassen. Bis dahin
heißt es für Niha „smile don’t cry“.