Jeden Tag geht Shovadas in einen Witwen-Ashram und singt 10
Stunden Bhajan, einen religiösen Meditationsgesang, dessen Wiederholungen die
Liebe und Hingabe zu Gott ausdrücken. Hierfür bekommt sie zwei Mahlzeiten am
Tag und manchmal auch ein paar Rupien. Wir sind in Radha Kund, der Stadt in der
Krishna und seine Geliebte Radha Mohan zusammenfanden und ihre Liebe ausleben
konnten. Viele Pilger, aber auch mittellose Witwen und Frauen kommen hierher
und bekommen eine Zuflucht.
Shovadas ist keine Witwe, kam jedoch vor 25 Jahren aus Kalkutta
hierher, weil sie kein Geld für eine Heirat aufbringen konnte. Ihre Eltern
starben früh und so wurde sie zur Sängerin und Schauspielerin ausgebildet. Mit
diesem Beruf ist es schwierig einen Ehemann zu finden, da diese Berufsgruppe
als verrucht und unzüchtig gilt. Außerdem verdient man nicht genug Geld um die
nötige Mitgift für die Familie des Ehemannes aufzubringen.
Voller Stolz zeigt sie uns ihre Fotografien aus einer Zeit „die
schon längst vorüber ist“, schließt das blaugebundene Album und legt es in ihre
Behausung unweit der belebten Straßen. Dort hat sie ein sauberes Zimmer nur für
sich und Radharani - eine göttliche Form in der Krishna und Radha Mohan
glücklich vereint sind. Ihr Altar bestehend aus zwei Gottheiten aus Stein wird
bei Sonnenauf- und –untergang von ihr verehrt, das gibt ihr Lebensenergie und
Freude. Eine Beziehung zu einem Mann wäre für sie undenkbar, sie „benutzen dich
nur und schmeißen dich danach einfach weg“ vertraut sie mir nach dem Interview
an. Die einzige Beziehung die der 65-jährigen Liebe und Vertrauen gibt ist ihre
zu Gott.
Es sollen rund 15 000 Frauen sein, die meist aus dem
erzkonservativen West Bengalen nach dem Tod ihres Ehemannes den Weg nach
Vrindavan und Umgebung finden. Eine Frau ist ohne einen Ehemann nichts Wert, dürfen
nur bestimmte Nahrung zu sich nehmen und werden wie die unterste Kaste der
Unberührbaren als „unrein“ angesehen. Selbst die farbenfrohen Saris bleiben
ihnen verwehrt, sie müssen für alle erkennbar einen weißen Sari tragen. Der
Tradition folgend, tragen sie ihr Schicksal, ohne es zu hinterfragen, bis sie
sterben.
Shovadas ist nach der direkten Frage nach einem Wunsch für
ihr weiteres Leben zurückhaltend und bescheiden. Später sagt sie, dass sie
einen leeren Raum kennt, in dem Kinder unterrichtet werden könnten. Auch für
sie steht fest, dass eine gute Schulbildung und Erziehung der Weg aus der
unterpriviligierten Stellung der Frau ist.
Wenn ihr mehr über indische Witwen wissen wollt, schaut euch
den Film „Water“ von Deepa Metha an.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen