Samstag, 14. Dezember 2013

Jodie weiß nun, was Chinmaya braucht

Blubbernd und strampelnd sitzt der kleine Chinmaya auf dem Schoß seiner Mama. Die drei schwarzen Punkte auf seiner Stirn und beiden Wangen sollen alles böse von ihm wenden. So wird es von Frauen des Stammes der Bhil in der Region Jhabua im Bundesstaat Madhya Pradesch schon seit Jahrhunderten gemacht. Gemalt hat sie Jodie, eine zierliche Person, die uns lächelnd gegenübersitzt. Mit leiser Stimme und ihrem roten Tuch weit ins Gesicht gezogen, erzählt sie uns von ihrem Tagesablauf

Nachdem sie Wasser für den Haushalt geholt hat, bereitet sie einen Teig vor, aus dem das Frühstück gemacht wird. Chapatis sind dünne Teigfladen aus Mehl, Öl und Wasser, die über einer offenen Feuerstelle gebacken werden. Ihr Ehemann Nanadara, dessen Mutter und Vater sowie Jodie mit ihrem Sohn Chinmaya gehören zum Haushalt. Wenn alle gegessen haben und Jodie aufgeräumt hat, verlässt sie gegen neun Uhr das Haus und geht ins Feld arbeiten. Ehe sie zurückkehrt hat sie auf dem Feld fünf Stunden gearbeitet. Auf ihren zehn Monate alten Sohn passt daheim die Großmutter auf. Chinmaya ist mit 6095 Gramm für sein Alter 3000 Gramm leichter, als er eigentlich sein sollte. Obwohl seine Mutter die zehnte Klasse abgeschlossen hat, weiß sie wenig über Hygiene und Ernährung von Kleinkindern. So kam es, dass sie ihrem Sohn nur drei Mal am Tag die Brust gab und der Kleine somit nicht die nötigen Proteine, Mineralien und Vitamine aufnehmen konnte, die er für eine gesunde Entwicklung bräuchte.



Nach einer Studie der World Bank litten im Jahr 2012 in Indien zweimal mehr Kinder an Unterernährung als in Afrika und fünfmal mehr als in China. Jedes zweite Kind unter fünf Jahren wächst in Folge dessen nicht richtig und muss an Krankheiten leiden, die es mit einem gesunden Wachstum nie bekommen hätte. Eine ausgewogene Ernährung aus Früchten, Gemüse, Brot, Reis, Milch, Fleisch und Fisch ist oft nicht möglich. Ein Grund dafür ist das fehlende Wissen der Familien über die Hygiene und Fütterung von Säuglingen in ihren ersten Wochen. Die Abhängigkeit vom Faktor Geld und Arbeit zwingt die Menschen zur Vernachlässigung des Nachwuchses. Wenn die Familie abhängig von Gemüse ist, dass sie auf dem Markt kaufen muss, muss dieses Geld verdient werden. Das heißt für beide Elternteile, dass sie tagsüber zum arbeiten ihr Kind verlassen und erst abends wiederkehren. Teilweise gehen Elternteile auch mehrere Tage in andere Landesteile, um Arbeit zu bekommen. In der Zeit sorgen in unregelmäßigen Abständen Verwandte und Bekannte für das Kind. Die Armut und die Fälle von Unterernährung sind bei der ländlichen Bevölkerung Indiens weiter verbreitet als in den boomenden Großstädten. Hier merkt man nichts von blinkender Bollywoodindustrie und großen Einkaufszentren. Die Menschen leben ein einfaches Leben abseits der Gesellschaft und geraten gerade dadurch in Vergessenheit. Nicht allein durch Wirtschaftswachstum kann ein Land seine Menschen aus der Armut befreien, die Schere zwischen Arm und Reich wächst zunehmend.

Jodie ist eine Frau aus der unteren Mittelschicht der Bhil, ihr 28-jähriger Mann geht als Gaslieferant arbeiten und sie bewirtschaftet das Land, das den Eltern ihres Mannes gehört. Sie sind zwar nicht reich, aber das nötigste können sie sich leisten. Trotzdem ist ihr Sohn unterernährt und Mutter und Sohn sind seit zehn Tagen in einem Hospital in Meghnager im Bundesstaat Madhya Pradesch untergebracht. Hier bekommen die Kinder achtmal am Tag einen speziellen Brei aus Milch, Zucker, Oel und Wasser, der sie wieder zu Kräften bringt. Zweimal am Tag werden die Mädchen und Jungs von einem Arzt untersucht, gewogen und gemessen. So kann sichergestellt werden, dass sie Tag für Tag zunehmen und gesund werden. Die Mütter lernen zusammen mit ihrem Kind von der täglichen Hygiene beim Stillen und über die Wichtigkeit ihre Kinder regelmäßig und ausgewogen zu ernähren. Sie haben Zeit sich mit den Bedürfnissen ihrer Kleinen auseinanderzusetzen. Außerdem bekommen sie Tipps, wie sie, neben ihrer täglichen Arbeit, eine gesunde Ernährung für ihr Kind garantieren können. Wenn die 24-jährige mit ihrem Chinmaya nach Hause geht, hat sie Samen von einheimischen Pflanzen und das Wissen wie man sie groß zieht, im Gepäck. Das Einrichten eines „Küchengartens“ direkt vor ihrem Haus, von dem sie für die ganze Familie kochen kann, ist wichtig für Jodie. So spart sie Zeit und Geld, dass sie in die Schulbildung ihres Kindes stecken kann. Die Ausbildung von Chinmaya liegt ihr besonders am Herzen.

Für mehr Informationen von Hilfsprojekten in Madhya Pradesch klickt hier und das Rezept für echt indische Chapatis gibt es auf diesem Blog.

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