Dienstag, 17. Dezember 2013

Langer Tag für kleine Mädchen

Jeden Tag um fünf Uhr morgens, schlägt Sister Anice laut gegen eine Glocke. Dieser Ton ist der Weckruf für 150 Mädchen zwischen sechs und achtzehn Jahren. Sie alle wohnen in einem Hostel, direkt neben ihrer Schule. Ihr Schulweg wäre zu weit oder zu gefährlich, um ihn jeden Tag aufs Neue zu bewältigen. Nach einer kleinen Katzenwäsche gehen die älteren Mädchen, in Begleitung der Sister, in die Kirche zur heiligen Messe. Die Schule und das Hostel stehen unter dem Schirm der „Catholic Diocese of Jhabua“, sie haben gemeinsam mit Sponsoren und privaten Geldgebern die Schule und das Hostel aufgebaut.


Auch die dreizehnjährigen Mädchen Antimbala Ninama und Vandana Vasuniya wohnen in dem Mädchenhostel in Thandla. Sie sind die einzigen, die sich in den zwei Tagen, die wir die Mädchen begleiten, mit uns auf Englisch unterhalten können oder sich trauen. Denn sie gehen mit zehn anderen Mädchen in die „Englisch Middle Class“. Beide wollen nach ihrem Abschluss Lehrerinnen werden, um Kindern wichtige Dinge wie lesen, rechnen und schreiben beizubringen. Nach der heiligen Messe bereiten sie gemeinsam mit Sister Anice das Frühstück für alle Mädchen zu. Die meisten Mädchen essen ihren Haferschleim stehend und mit einem Buch in der Hand. Nach dem Frühstück und Abwasch setzen sich Antimbala und Vandana mit ihren Freundinnen in den große Halle des Hostels, um noch ein bisschen zu lernen. Denn in der Woche vor den Weihnachtsferien stehen jeden Tag Prüfungen an, heute ist das Fach Informatik dran. 



Nach der Schule, gegen 14 Uhr, gibt es für alle Mädchen im Hostel ein Mittagessen. In dem großen Vorraum sitzen nun 150 Mädchen und essen schnatternd ihren Reis, Dal und Gemüse. Nach dem Essen verteilt Sister Anice an einige Mädchen Aufgaben. Heute müssen die Aufenthaltsräume gefegt und gewischt werden. Anschließend dürfen alle Mädchen helfen, das Hostel und den Hof weihnachtlich zu dekorieren. Es werden Glocken aufgehängt, grüne Pflanzen wie Tannenbäume geschmückt und kleine Weihnachtsmänner aufgestellt. Nach getaner Arbeit spielen Antimbala und Vandana gemeinsam mit einigen Freundinnen verstecken und eine indische Version des Plumpsacks. 


Um Punkt 18 Uhr wird das Abendessen von Sister Anice ausgeteilt, gegessen wird wieder in der Halle. Anschließend findet dort für alle Mädchen eine einstündige Messe statt. Die heilige Messe wird nicht von einem Priester geführt sondern von den Mädchen selbst. Abwechselnd lesen sie aus der Bibel vor, beten und singen gemeinsam Lieder. Immer wieder beobachten wir, wie die kleinen Mädchen einschlafen. Meistens bleibt das nicht unentdeckt und sie werden von Mitschülerinnen oder der Sister geweckt. Nach der Messe ist der Tag aber noch nicht vorbei. Nun sitzen alle 150 Mädchen mit ihren Schulbüchern in der Halle des Hostels, aufgeteilt nach Klassen und Alter. Sie erledigen nicht geschaffte Hausaufgaben oder lernen für den nächsten Schultag. Nach und nach gehen die Mädchen in ihren Schlafraum, den sie sich mit rund 75 Altersgenossinnen teilen. Dort schlafen sie dann bis zum nächsten Morgen, bis um 5 Uhr die Glocke ertönt.



Und wie wir unseren Besuch im Mädchenhostel empfunden haben, könnt ihr hier erfahren.

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